San Remo 100

Auswirkungen des britischen Verrats am Mandat – 100 Jahre San Remo (Teil 5)

Hugh Kitson - 16. September 2020

Das Weißbuch von 1939 war faktisch eine Aufhebung des britischen Mandats.

In einer erbitterten Debatte im britischen Unterhaus sprach sich Winston Churchill, der ein Jahr später Premierminister wurde, vehement gegen das Weißbuch aus: “Jetzt ist der Vertragsbruch da. Jetzt haben wir die Verletzung des Versprechens. Jetzt haben wir die Abkehr von der Balfour-Deklaration. Das ist das Ende der Vision, der Hoffnung, des Traums.1

Beschwichtigungspolitik bezahlt mit dem Blut der Juden

Es war auch ein Todesurteil für eine nicht fassbare Anzahl jüdischer Menschen, die im nationalsozialistisch besetzten Europa eingeschlossen waren.

Der verstorbene Professor Shalom Lindenbaum, ein Auschwitz-Überlebender, der später von den Briten sowohl in Atlit (Israel) als auch auf Zypern inhaftiert wurde, beschrieb das Weißbuch von 1939 als “politische Beschwichtigung, die mit dem Blut des jüdischen Volkes bezahlt wurde.“ Er fuhr fort, in dem er das ausdrückte, was viele jüdische Menschen, die diese Zeit durchlebten und den Holocaust überlebten, empfanden: “Die Juden daran zu hindern aus Europa zu fliehen – sie hier (in Israel) nach der Ankunft nicht ins Land zu lassen – das war wahre Zusammenarbeit mit Hitler!“ 2

Churchill: Juden in Palästina von Rechts wegen und nicht aus Duldung

Als er Anfang der 1920er Jahre Kolonialminister mit der Verantwortung für die Umsetzung des Mandats für Palästina war, hatte Winston Churchill mit Nachdruck erklärt, dass die Juden “von Rechts wegen in Palästina seien und nicht aus Duldung“ (Weißbuch von 1922). Seit Mitte der 1930er Jahre behandelte die britische Regierung die Juden in Palästina aber so, als ob sie dort aus Duldung wären und nicht wegen des Rechts darauf.

Akten von San Remo vergraben

Während es absolut richtig ist, dass es ohne Großbritannien heute keinen Staat Israel gäbe, war der britische Verrat am Mandat und am jüdischen Volk in seiner Stunde der Not nicht nur ein moralisches Versagen, welches das britische Establishment nicht anerkennen will, sondern auch ein juristisches.

Howard Grief. Foto: ‘Whose Land’ Dokumentarfilm.

Die britische Regierung – und insbesondere das Auswärtige Amt – haben sich sehr große Mühe gegeben, dieses Versagen zu vertuschen. Die offiziellen Aufzeichnungen der San Remo-Konferenz waren tief im Nationalarchiv vergraben und wurden erst Mitte der 1980er Jahre von einem jüdisch-kanadischen Anwalt, dem verstorbenen Howard Grief, entdeckt. Vieles von dem, was in der Zeit des Mandats wirklich geschah, ist erst in den letzten Jahrzehnten ans Licht gekommen. Die Wahrheit ist, dass Großbritannien in fast allen Punkten gegen die Bestimmungen des Mandats verstieß. Traurigerweise wurde schließlich die jüdische Nation trotz Großbritannien und nicht wegen uns (Großbritannien) geboren.

„Großbritannien verstieß in fast allen Punkten gegen die Bestimmungen des Mandats. Schließlich wurde die jüdische Nation trotz Großbritannien und nicht wegen uns (Großbritannien) geboren.“

 

Der Exodus-Vorfall

Die Labour-Regierung, die nach der Wahlniederlage Churchills 1945 folgte, lehnte die Entstehung eines jüdischen Staates politisch um jeden Preis ab und versuchte aktiv, diese zu vereiteln. Die Blockade der Royal Navy gegen Holocaust-Überlebende, die versuchten, in ihre angestammte Heimat zu gelangen – fast alle von ihnen mittellose Flüchtlinge, die alle ihre Familienmitglieder verloren hatten und nirgendwo anders hingehen konnten – ist nur ein Beispiel dafür. Es war nicht nur ein Akt extremer Grausamkeit, der zum Ertrinken von rund 3.000 jüdischen Menschen auf See führte, sondern es war auch eine eklatante Verletzung des Mandats. Der Exodus-Vorfall im Jahr 1947 führte ihr Elend einer entsetzten Welt vor Augen.

The Exodus. Foto: ‘Whose Land’ Dokumentarfilm.

 

Als die Wahrscheinlichkeit der Ausrufung eines jüdischen Staates zunahm – insbesondere nach dem Exodus-Zwischenfall und der Verabschiedung des Teilungsplans 1947 durch die UN-Generalversammlung – bestand die Politik der britischen Regierung darin, die jüdische Bevölkerung in Palästina unbewaffnet zu halten und gleichzeitig sowohl die ägyptische Armee als auch die jordanische Armee (die Arabische Legion) zu bewaffnen und auszubilden.

 

Ein Aufruf zur Vernichtung der Juden in Palästina

Die britische Regierung tat dies, wohl wissend, dass die Nationen der Arabischen Liga gegen die entstehende jüdische Nation den ‘Dschihad‘ erklärt hatten – was nichts weniger als ein Aufruf zur Vernichtung der Juden in Palästina war. Nach der Unabhängigkeitserklärung von David Ben-Gurion wurde der Angriff der Arabischen Legion auf den neugeborenen jüdischen Staat von einem im Dienst der britischen Armee stehenden General, Sir John Bagot Glubb – auch bekannt als ‘Glubb Pascha‘ – angeführt.

Persönlich glaube ich, dass es nur die Hand des Allmächtigen Gottes war, die einen weiteren Völkermord an Juden nur drei Jahre nach dem Ende des Holocaust verhinderte. Ganz abgesehen von den moralischen Fragen im Zusammenhang mit dem britischen Vorgehen gibt es auch rechtliche Fragen.

Arabische Invasion illegal

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden 1945 die Vereinten Nationen gegründet, die an die Stelle des Völkerbunds traten. Die Gründungscharta der UNO ist selbst ein internationaler Vertrag, und jede Nation, die der UNO beitritt, verpflichtet sich, an diese Charta gebunden zu sein. Mit anderen Worten: Die UNO-Charta selbst ist Teil des ‘Völkerrechts‘.

Artikel 2 der UNO-Charta verbietet die Invasion eines souveränen Staates und die Inbesitznahme seines Territoriums. Andrew Tucker, ein Jurist für internationales Recht, der Direktor der The Hague Initiative for International Cooperationist, zeigt folgende rechtliche Perspektive des israelischen Unabhängigkeitskrieges auf: “Es besteht absolut kein wie auch immer gearteter Zweifel daran, dass der Staat Israel am 14. Mai 1948 in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht existierte. Diese arabischen Nationen griffen einen Staat an, der nach internationalem Recht existierte. Ich denke, es ist durchaus argumentierbar, dass Großbritannien durch seine Beteiligung an dem Angriff auf Israel im Grunde selbst gegen die UNO-Charta verstoßen hat.3

„Nach der Unabhängigkeitserklärung von David Ben-Gurion wurde der Angriff der Arabischen Legion auf den neugeborenen jüdischen Staat von einem im Dienst der britischen Armee stehenden General angeführt.“

 

Anhaltende Leugnung der Wahrheit durch Großbritannien

Wenn man heute in Großbritannien an seinen Parlamentsabgeordneten – oder sogar an den Außenminister – über Israels historische und biblische Rechte in Judäa, Samaria und Jerusalem schreibt, wird der Brief an das Außenministerium weitergeleitet. In der Regel kommt eine Standardantwort zurück, in der festgehalten ist, dass Israelis in keinem Teil des Gebietes, das das Auswärtige Amt seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 als ‘Besetztes Palästinensisches Gebiet‘ betrachtet, das Recht auf einen Wohnsitz haben.

Im Grunde hat die britische Regierung, die sich selbst als ‘Freund Israels‘ bezeichnet, die Rechtsansprüche Israels und des jüdischen Volkes auf den Kopf gestellt. Großbritanniens Verschleierung seiner anhaltenden Verstöße gegen das Völkerrecht, sowohl während der Ausübung des Mandats als auch danach, hat sich verheerend auf das Gedeihen des jüdischen Staates ausgewirkt und den Konflikt zwischen Israel und dem Volk, das heute als ‘die Palästinenser‘ bekannt ist, verlängert.

Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass die Position Großbritanniens das Leiden des ‘palästinensischen‘ Volkes durch die Unterstützung des tyrannischen Regimes seiner Führer, die nichts anderes wollen als die Zerstörung des jüdischen Staates, noch verschlimmert hat.

Die Bedeutung von San Remo heute?

Welchen Einfluss haben also die San Remo-Resolution und das Mandat auf die Rechtsansprüche des jüdischen Volkes heute? Die Völkerrechtsjuristin Dr Cynthia Day Wallace sagt dazu: “Artikel 80 der UNO-Charta übernimmt die dem Völkerbund übertragenen Rechte, so dass alles, was im Rahmen des Völkerbundes, so wie die San Remo-Resolution, so wie das Mandat von Palästina, beschlossen wurde, unter der UNO-Charta weiterhin rechtsverbindlich ist.“ 4

Der Anwalt für internationale Menschenrechte Dr. Jacques Gauthier betont dies noch einmal: “Artikel 80 der UNO-Charta, bei der es sich um einen internationalen Vertrag handelt, der eine Grundlage für Rechte und Pflichten darstellt, legt fest, dass alle Rechte, die einem Volk vor der Ausführung und Ratifizierung der UNO-Charta gewährt wurden, zu schützen, zu beachten und zu respektieren sind.“ 5

UN-Resolution 2334

Im Dezember 2016 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 2334, die unter anderem festhielt, dass die jüdische Präsenz in Judäa, Samaria oder der Altstadt von Jerusalem „eine grobe Verletzung des Völkerrechts“ darstelle. Diese Resolution, die weitgehend vom britischen Außenministerium verfasst wurde, wurde nur verabschiedet, weil Präsident Obama sich weigerte, das Vetorecht der Vereinigten Staaten auszuüben. Andrew Tucker stellt das UN-Urteil in Frage: “Haben sie das Recht, ihren Willen in dieser Sache durchzusetzen? Nein, haben sie nicht! Es gibt keinen anderen Konflikt in der Welt, der von den Vereinten Nationen ohne das Einverständnis der Parteien gelöst wird. Die gesamte völkerrechtliche Struktur der Vereinten Nationen beruht auf dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten.“ 6

Dr. Wallace, ehemals juristische Beraterin des UNO-Sekretariats in Genf, bringt ein weiteres Argument vor: “Ich gehe davon aus, dass die Resolution 2334 gegen Artikel 80 der UNO-Charta verstoßen würde, wenn sie durchsetzbar wäre. Aber sie ist nicht durchsetzbar.“ Sie fährt fort: “Die Vereinten Nationen sind kein ‚Rechtsorgan‘ – sie sind ein politisches Organ. Die UNO ist nicht befugt, Recht zu schaffen. 7

Es gibt eine Reihe weiterer völkerrechtlicher Prinzipien, die das Recht Israels auf Souveränität über ganz Jerusalem, Judäa und Samaria untermauern, die in Teil 2 von “Whose Land?“ beleuchtet werden, wenn wir in der Lage sind, ihn fertigzustellen.

Im letzten Artikel werden wir die geistliche und prophetische Bedeutung der San Remo-Resolution erörtern.

 

Mehr dazu sehen Sie in Episode 8 und 9 des Videos ‘Whose Land?’

 

 

Dies ist der fünfte Artikel einer Serie von sechs Artikeln aus Prophecy Today UK, in deren Mittelpunkt die San Remo-Resolution steht, und wird mit Genehmigung des Autors veröffentlicht.
>>Überblick über diese Serie


 

Quellen:

1 Hansard, 23. Mai 1939

2 Interview mit Professor Shalom Lindenbaum in “The Forsaken Promise“ (2006) produziert von Hugh Kitson für Hatikvah Film Trust

3 Zitiert aus einem Interview-Ausschnitt in “Whose Land?” Part 2 – muss noch vervollständigt werden

4 Zitiert aus Interview-Ausschnitten in Episode 9 von “Whose Land?“

5 Ebendort

6 Zitiert aus einem Interview-Ausschnitt in “Whose Land?” Part 2

7 Zitiert aus einem Interview-Ausschnitt in “Whose Land?” Part 2  

 


(Übersetzung: Hans Weissenböck)

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