• Solidaritätskundgebung für Israel und gegen Antisemitismus am 10. Oktober 2024 in Wiener Neustadt
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Über 200 Teilnehmer bei Solidaritätskundgebung gegen Antisemitismus in Wiener Neustadt

Marie-Louise Weissenböck - 11. Oktober 2024

Am Donnerstag, dem 10. Oktober 2024 versammelten sich mehr als 200 Teilnehmer am Hauptplatz in Wiener Neustadt (NÖ) um an einer „Solidaritätskundgebung für Israel und gegen Antisemitismus und Judenhass“ teilzunehmen.

Gemeinsam zogen sie im strömenden Regen mit Israel-Fahnen aller Größen durch das Wiener Neustädter Stadtzentrum, um vor den mittelalterlichen jüdischen Grabsteinen innezuhalten. Dort sprach der Wiener Oberrabbiner, Jaron Engelmayer, ein Gebet in Erinnerung an die verstorbenen Juden der Stadt, deren Gemeinde während des Holocaust vollständig vertrieben und ausgelöscht wurde. Auch sprach er ein Gebet für die Opfer des 7. Oktober sowie für die Geiseln und schloss mit Psalm 83.

Der Wiener Oberrabbiner, Jaron Engelmayer, spricht ein Gebet vor den mittelalterlichen jüdischen Grabsteinen.

Bei der Abschlusskundgebung am Hauptplatz hielten David Roet (Botschafter des Staates Israel in Österreich), Joshua Weiss (Enkel des letzten Oberrabbiners von Wr. Neustadt), Jaron Engelmayer (Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien), Marie-Louise Weissenböck (Vorsitzende von „Christen an der Seite Israels“) und Helmuth Eiwen (Seniorpastor der Freikirche Ichthys Wr. Neustadt) kurze Reden.

 

v.l.n.r.: Helmuth Eiwen, Marie-Louise Weissenböck, Botschafter David Roet, Joshua Weiss mit seiner Ehefrau

In Folge des Terroranschlages der Hamas am 7. Oktober 2023 hat es eine Explosion des Antisemitismus auf der ganzen Welt gegeben. In Österreich hat der Antisemitismus sich verfünffacht. So einen plötzlichen Anstieg des Judenhasses gibt es laut Joshua Weiss nicht zum ersten Mal. „Mein Vater musste mit elf Jahren aus dieser Stadt fliehen. Von ihm weiß ich, dass Wiener Neustadt über Nacht von Nazi-Ideologie und Fanatismus vereinnahmt wurde. Meine Großeltern wurden innerhalb von nur wenigen Wochen von angesehenen Bürgern zu Ausgestoßenen, Verfolgten und Gefangenen. Aber ich bin nicht hier, um mit dem Finger auf andere zu zeigen. Ich bin in die Stadt meiner Vorfahren gekommen, weil sie ein Teil meiner Herkunft und Kultur ist, die ich sehr schätze. Der erste Film, den mein Vater mir zeigte, war ‚Sound of Music‘ und er sagte mir, dass es nicht nur Nazis und Verfolgung gab, sondern Österreich ein wunderschönes Land ist. Sein Lieblingslied war ‚Edelweiss‘.“

Gemeinsame Bestrebungen gegen Extremismus

Als Vertreter des Staates Israel sprach Botschafter David Roet, der die klare Position Österreichs lobte: Die Solidarität unserer Freunde und Verbündeten, insbesondere hier in Österreich, ist ein Lichtblick in der Dunkelheit. Die österreichische Regierung, das Parlament und die parteiübergreifende Führung haben sich klar und kraftvoll geäußert und verstanden, dass dieser Kampf nicht nur für Israel, sondern für die Werte der Freiheit, der Demokratie und der Menschlichkeit geführt wird. Nur wenn wir als moralische, demokratische Nationen zusammenstehen, können wir den gefährlichen Bestrebungen des Extremismus begegnen.“ Auch führte er eindringlich in Erinnerung, sich für die Freilassung der Geiseln einzusetzen. „Der Aufruf zur Freilassung aller Geiseln ist kein politischer Aufruf, sondern ein moralischer, dem sich die gesamte Menschheit anschließen sollte.

Die Geschichten der Geiseln, die freigelassen wurden, über das, was sie in den dunklen Tunneln von Gaza ertragen mussten, sind entsetzlich und eine unvorstellbare Tortur. Die sichtbaren und unsichtbaren Narben, die sie davongetragen haben, zeugen von der Dunkelheit, die sie überlebt haben, und von der Notwendigkeit, diejenigen, die zurückgeblieben sind, wieder nach Hause zu bringen. Die Geiseln sind nicht nur Zahlen; sie sind Menschen, wertvolle, geliebte, unersetzliche Mitglieder unserer Familien. Bringt sie nach Hause!“

Der Botschafter des Staates Israel in Österreich, David Roet

Christen dürfen nicht wieder schweigen

Die Untätigkeit und das Schweigen einer Mehrheit der Christen hat in der Zeit des Nationalsozialismus den Holocaust begünstigt. Marie-Louise Weissenböck nannte die Motivation für die Kundgebung: „Wir stehen heute hier gegen das Schweigen, gegen den Hass und gegen Antisemitismus. Wir stehen nicht nur für Israel hier, sondern auch für die jüdischen Bürger in Österreich und weltweit, die einem unglaublichen israelbezogenen Antisemitismus ausgesetzt sind. Wir werden diesen Antisemitismus nicht dulden und unsere Stimmen dagegen erheben.

Christlicher Antijudaismus als Nährboden für Antisemitismus

Helmuth Eiwen ortete die Wurzeln für den Antisemitismus auch im Christentum selbst: „Es erfüllt mich immer wieder mit großem Schmerz und tiefer Scham, dass eine der historischen Wurzeln des Antisemitismus auf eine christlich motivierte Judenfeindschaft zurückgeht. Dieser christliche Antijudaismus wurde zum Nährboden für jede Form des Antisemitismus bis hin zum rassistisch geprägten Antisemitismus des Nationalsozialismus. Diese Schuld dürfen und wollen wir als Christen nicht verschweigen, sondern bekennen und um Vergebung bitten.“

Der Enkel des letzten Oberrabbiners von Wiener Neustadt, Joshua Weiss, sprach sich für neue Zukunftsaussichten aus: „Verantwortung zu übernehmen heißt für mich, die Vergangenheit zu verstehen, um in Zukunft daraus zu lernen und es besser zu machen.“

Der „Marsch des Lebens“ für Israel und gegen Antisemitismus und Judenhass in Wiener Neustadt wurde von einem Trägerkreis rund um christliche Kirchen und Organisationen ins Leben gerufen und wurde in enger Zusammenarbeit mit jüdischen Organisationen veranstaltet.

Alle Fotos: Christen an der Seite Israels