• Unsere Solidaritätsreise nach Israel | Foto: MLW
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An der Seite Israels stehen: Unsere Solidaritätsreise

Marie-Louise Weissenböck - 1. Juni 2024

Anfang Mai reisten eine kleine Gruppe junger Christen an der Seite Israels (unserer Plattform für junge Erwachsene, Isreality, angehörend) und ich für zehn Tage nach Israel. In einer Zeit, in der Israelhass und Antisemitismus unglaubliche Ausmaße erreicht hat, war es uns ein Anliegen unsere Solidarität mit dem jüdischen Volk zu zeigen.

Neben tätiger Hilfe beim Packen und Ernten besuchten wir Evakuierte, Holocaust-Überlebende, Soldaten und Reservisten, trafen Verwandte von Geiseln und führten viele berührende Gespräche. Die quälende Sorge um die Geiseln stand immer im Vordergrund. Ein tieftrauriges „Warum hassen uns alle so?“ und ein strahlendes „Danke, danke, dass ihr gekommen seid!“, waren die meistgehörten Sätze. Die aufrichtige und staunende Dankbarkeit, die uns jedes Mal entgegengebracht wurde beim Vernehmen, dass wir als Nichtjuden, ja, als Christen gekommen waren, um zu helfen, berührte uns sehr.

Gleich am ersten Tag unserer Solidaritätsreise fuhren wir nach Tel Aviv zu Eran‘s Angels (ein Hilfswerk für evakuierte Familien und Soldaten) und brachten dringend benötigte Güter, die mit großem Dank entgegengenommen wurden. Dort konnten wir einen Einblick in die wunderbare Arbeit dieser Volontärorganisation bekommen. Seit dem 8. Oktober hatten bereits über 20.000 Volontäre ihren Dienst dort geleistet. Hygieneartikel, Kleidung, Geschirr, Bettwäsche, Nahrungsmittel usw. werden verpackt und an Menschen verteilt, die alles verloren haben. Anschließend besuchten wir den „Hostages Square“, wo wir mit Verwandten der Geiseln sprachen, und beklemmende Eindrücke bekamen. Auch in den Geschäften rund um den Dizengoff-Platz, wo man fast ein Stückchen Normalität im Alltag fühlt, hörten wir mehrmals: „Wir brauchen gute Nachrichten.“

Am Hostages Square steht ein Schabbattisch mit einem Platz für jede Geisel.

Auch am Dizengoff-Platz wird der Geiseln gedacht.

Da es in den folgenden Tagen wegen der Feiertage keine Arbeitsmöglichkeiten gab, besuchten wir den Süden um einen Eindruck der Geschehnisse rund um den 7. Oktober, den schwarzen Schabbat, zu bekommen. Nichts hätte uns auf jenes Ausmaß vorbereiten können, das uns erwartete. Unser erster Stopp war das Auto-Memorial, wo die verbrannten und beschädigten Autos der Besucher des Nova-Festivals stehen, darunter auch zwei völlig ausgebrannte Krankenwägen von Magen David Adom, die von den Terroristen mit Granaten attackiert worden waren. Persönlich dort zu sein, zeigte uns eine neue Dimension des schrecklichen Massakers. Bei der Shuva-Junction, wo zwei Brüder aus dem Kibbuz Shuva eine Erholungsstation für Soldaten und Reservisten eingerichtet haben, wurden unsere kleinen Mitbringsel, Deos und Zahnpasten, dankbar entgegengenommen. Zum Abschluss besuchten wir das Areal nahe Re‘im auf dem das Nova-Festival stattgefunden hatte. Emotional war es für uns alle sehr herausfordernd die Fotos der ermordeten und verschleppten Menschen zu sehen, die im jungen Alter einfach aus ihrem Leben herausgerissen worden waren.

Das Auto-Memorial, mit den verbrannten und beschädigten Autos der Besucher des Nova-Festivals.

Das Nova-Festival Gelände mit den Fotos der ermordeten und verschleppten jungen Menschen, die aus ihrem Leben herausgerissen wurden.

Am darauffolgenden Tag hatten wir die Möglichkeit den Kibbuz Or HaNer, 2,7 km von Gaza entfernt, zu besuchen. Dort trafen wir einige bewundernswerte, neueingewanderte Familien, die Mithilfe des von Christen an der Seite Israels unterstützten Programms „First Home in the Homeland“ erst vor Kurzem im Kibbuz ein neues Zuhause gefunden hatten. Eine Handvoll mutiger Männer hatte den Kibbuz während des 7. Oktober verteidigt, während die anderen Bewohner schnellstmöglich evakuiert worden waren. Im März hatten sich die Familien mit ihren Kindern entschieden, wieder zurück in ihren Kibbuz zu ziehen. Ihren Mut und Willen, alles für ihr Land tun zu wollen, beeindruckte uns. Es war eine Ehre diese Menschen kennenzulernen und ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein dastehen.

Wir besuchten drei der tapferen Olim-Familien im Kibbuz Or HaNer, nahe der Grenze zu Gaza.

Am Abend begann Yom haZikaron, der Gedenktag für gefallene Soldaten und Terroropfer. Am Ammunition Hill in Jerusalem nahmen wir an einer Gedenkfeier der Michael Levin Base für Lone Soldiers (Soldaten, die ohne ihre Eltern nach Israel gekommen sind, um dem Land zu dienen) teil, bei der auch Rabbi Dee, der seine Frau und zwei Töchter bei einer Terrorattacke verloren hatte, Worte des Trostes für alle betroffenen Familien fand. Am Yom Ha‘Azmaut, dem Unabhängigkeitstag und 76. Geburtstag des Staates Israel, fuhren wir nach Tel Aviv um die Tochter einer Holocaust-Überlebenden aus Wiener Neustadt zu treffen. Sie erzählte uns die Geschichte ihrer Eltern, die während der Shoa ins britische Mandatsgebiet Palästina geflohen waren. Sie selbst war 1941 im Auffanglager Atlit, nahe Haifa, geboren worden. Dass gerade junge Erwachsene aus Österreich in Zeiten wie diesen nach Israel gekommen waren und sie besuchten, erfreute sie sehr. Zurück in Jerusalem, wo wir eine Wohnung gemietet hatten, beteten wir an der Westmauer für die Freilassung der Geiseln.

Am Morgen des sechsten Tages besuchten wir ein Café-Europa-Treffen von Holocaust-Überlebenden, mit denen wir uns auf Englisch und etwas Deutsch unterhalten konnten. Das gemeinsame Singen von hebräischen und jiddischen Liedern machte allen Anwesenden große Freude und wir hatten den Eindruck ein kleines bisschen Licht in ihren Alltag gebracht zu haben. Am Nachmittag trafen wir Überlebende des Kibbuz Kfar Aza in ihrem Gastkibbuz Shfayim. Kfar Aza war am 7. Oktober von ca. 70 Terroristen überfallen worden. Dutzende Bewohner waren ermordet und 19 als Geiseln genommen worden. Die Häuser waren zum Teil so zerstört, dass der Kibbuz Shfayim sein Hotel für alle evakuierten Bewohner Kfar Azas zur Verfügung gestellt hat. Ungefähr die Hälfte von ihnen lebt seit ein paar Wochen auf dem Gelände in Container-Häuschen. Wir besuchten einige Familien, die in so einer temporären Unterkunft wohnen, und hörten ihre Geschichten. Die Kühlschränke, Herde und Waschmaschinen, die ihnen mit Hilfe unserer Organisation geschenkt worden waren, helfen ihnen sich ein Stück mehr zuhause zu fühlen und ins Leben zurückzufinden.

Eine Familie aus dem schwer betroffenen Kibbuz Kfar Aza empfing uns in ihrem gerade bezogenen Container-Häuschen.

Am vorletzten Tag unseres Besuchs konnten wir auf einer Beerenfarm in Gush Etzion helfen. Nach einer kurzen Schulung schnitten wir, auf umgekehrten Kübeln sitzend, Himbeerstauden zurück, um die stärksten Triebe in ihrem Wachstum zu fördern. Der Farmbesitzer, Meir, hatte viele Arbeiter nach dem 7. Oktober verloren, und war sehr dankbar für unsere Hilfe. Gemeinsam bearbeiteten wir ein ganzes Gewächshaus und spürten diesen 7-stündigen Einsatz noch Tage danach in Armen und Beinen.

In Gush Etzion halfen wir einem Farmer seine Himbeerstauden zu trimmen.

Am Freitagabend waren wir bei einem Rabbiner in Efrat eingeladen, um in seinem Haus mit seiner Familie den Schabbat zu feiern. Wir genossen die Gespräche, das Singen traditioneller Schabbat-Lieder und die Interaktion mit seinen Kindern und Enkelkindern.

Den letzten Abend vor unserer Rückkehr, ein Samstagabend, verbrachten wir in Tel Aviv bei einer Havdalah-Zeremonie am Ende des Schabbats, die von Familienmitgliedern der Geiseln veranstaltet wurde. Unglaublich viele Menschen waren aus Solidarität mit den Geiseln und ihren Angehörigen gekommen. Im Anschluss daran sang Eden Golan bei einer Kundgebung für die Geiseln zum ersten Mal die Originalversion ihres ESC-Songs „October Rain“. Mit diesen tiefen Eindrücken flogen wir am nächsten Tag zurück nach Wien.

Weitere Solidaritätsreisen werden sicher folgen. Gemeinsam mit dem jüdischen Volk wollen wir nicht aufhören für die Geiseln einzustehen und zu beten: „Herr, erhebe Dich. Zerstreue Deine Feinde, und lass die, die Dich hassen, vor Dir fliehen.“ (Psalm 68,2)